Mail vom 01.04.2020, 22:29 Uhr: Ich leide schon seit einiger Zeit an Depressionen, bislang noch nicht sehr schwer, aber schwer genug, dass ich mir vor Kurzem Hilfe gesucht habe.

Bisher war es mir möglich gewesen, damit einigermaßen umzugehen, da ich einen Mann habe, der mich unterstützt so gut er kann sowie ein gutes Netzwerk an Freunden, Kollegen und Nachbarn, die mir Halt geben, wenn es mir nicht gut geht.

Wie wichtig das wirklich ist, merke ich jetzt, da sich alles aufzulösen scheint, durch Kontaktsperren, Abstand halten, Abriegelung von Treffpunkten, Verbot öffentlicher Zusammenkünfte aller Art. Meine Therapeutin kann ich nicht mehr persönlich treffen, und durchs Telefon ist es nicht das Gleiche. Zur Arbeit zu gehen und dort Kollegen zu treffen war eine wichtige Konstante in meinem Leben.

Mein Glück ist, dass ich eine Familie habe (Mann und zwei Kinder), die mich derzeit gefühlt überhaupt am Leben erhalten. Aber ich merke, wie sich mein Zustand seit Beginn der Massnahmen trotzdem massiv verschlechtert hat. Ich leide nun zusätzlich unter Angstzuständen, starken depressiven Schüben, Selbstmordgedanken und noch häufigeren Albträumen/Schlaflosigkeit als vorher.

Und damit bin ich ja nicht alleine. Unter Depressionen leiden wirklich viele Menschen, mehr oder weniger stark. Wenn es vielen Menschen so geht wie mir, kann das zu einem grossen gesellschaftlichen Problem werden, denke ich. Und nicht alle haben das Glück, einen verständnisvollen Partner an ihrer Seite zu haben.

Ein weiterer Gedanke, der mir immer wieder kommt , ist, wie es z.B. meiner Nachbarin damit geht, die vor zwei Jahren ihren Mann verloren hat (ironischerweise durch eine `normale` Grippe). Ich weiß, dass sie immer noch Schwierigkeiten hat, das zu verkraften und viel Trost und neuen Lebenswillen in Angeboten von der Kirche gefunden hat. Nun ist sie allein in Ihrer Wohnung und darf keinen Besuch bekommen, da sie ja zur`Risikogruppe`gehört. Und gerade ältere Menschen greifen eher seltener auf soziale Medien zurück. Auch das ist ja sicherlich kein Einzelfall.