Mail vom 24.09.2020: Sehr geehrte Damen und Herren, vor 25 Jahren machte ich mein Staatsexamen zur Krankenschwester. Für mich war es bis jetzt nicht nur ein Beruf, sonder auch eine Berufung. Mittlerweile bin ich sehr stark am verzweifeln. Ich arbeite in einem Klinikum mittlerer Größe auf einer chirurgischen Station. Nötige Operationen wurden verschoben, 2x bereits ein Besuchsverbot verhängt. Ich sah hochschwangere Frauen sich vor der Klinik von ihrem Ehemann verabschieden und alleine mit Gepäck und Maske ins Klinikum gehen. Psychosomatik und unsere Lymphstation wurden sogar sehr lange Zeit komplett geschlossen. Physikalische Therapie wurde nur noch bei stationären Patienten durchgeführt. Ich bekam vor 6 Jahren die Diagnose Mamma CA mit beidseitiger Ablatio und Lymphknotenentfernung in der rechten Axilla. 2-3x pro Jahr benötige ich deswegen dringend Lymphdrainage Therapie. Als ich einen Termin im Frühjahr vereinbaren wollte, bekam ich keine Termine. Spannen und Schmerzen im Brustbereich und Armen waren die Folge. Diabetiker wurden zur Einstellung nicht aufgenommen. Nur wenn Lebensgefahr bestand, durften sie kurz zur Stabilisierung aufgenommen werden. Weitere Therapien wurden nicht gemacht. Die ganzen Kollateralschäden sind teilweise schon da und sehr viele werden noch kommen. Der Port einer Onkopatientin wurde wegen der Gefahr einer Corona Infizierung nicht gespült. Der Port war nicht mehr durchgängig und der Patientin musste ein neuer Implantiert werden. Ich sah schon einige Patienten an einer Sepsis sterben, da sie aus Angst vor Corona zu spät ins Krankenhaus gingen. Einige kämpfen auf Intensiv um ihr Leben. Nicht wegen Corona, sondern wegen einer Sepsis nach lapraskopischer Cholezystektomie. Andere benötigen wiederum 2 bis 3 verschiedene Antibiosen nach Appendektomie. Jetzt werden positiv getestete Menschen ins Klinikum gebracht, da sie Quarantänemaßnahmen nicht einhalten bzw einhalten können (Asylantenheim). Sind Krankenhäuser jetzt die modernen Gefängnisse? Mit freundlichen Grüßen eine sehr frustrierte Krankenschwester