Newsletter der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht, Mai 2020:

1. Urteile aus dem Medizinrecht

Kein unbefristeter Patienten-Aufnahmestopp trotz eines Covid-19-Falls

Das VG Minden hat entschieden, dass ein vollständiger Aufnahmestopp von Patienten für ein Krankenhaus trotz eines Covid-19-Falles in der Einrichtung nicht grundsätzlich erforderlich ist.

Eine stationäre Rehabilitationsklinik wurde auf Grundlage des Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetzes als Einrichtung zur Entlastung der akutstationär zu versorgenden Patienten bestimmt und gilt seitdem für die Patientenbehandlung als zugelassenes Krankenhaus. Nachdem bekannt wurde, dass sich eine stationär aufgenommene Patientin mit dem Corona-Virus infiziert hat, wurde der Klinik mit sofort vollziehbarem Bescheid vom 09.04.2020 untersagt, neue Patienten aufzunehmen.

Im von der Klinik angestrengten Eilverfahren hob das Gericht diesen unbefristeten Aufnahmestopp auf. Die Erlassbehörde habe ihr Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt und lediglich festgestellt, dass sich eine Patientin mit dem SARS-CoV-2 Virus infiziert habe und von einer Ansteckung der Patientin in der Klinik ausgegangen werden müsse. Andere als die angeordnete Maßnahme zur Verhinderung der Verbreitung des Virus seien nicht erwogen worden. Dies sei aber vor dem Hintergrund geboten gewesen, dass die Einrichtung gerade auch die Versorgung stationär behandlungsbedürftiger Patienten sicherstellen solle. Das RKI sehe einen Aufnahmestopp zudem nicht als unmittelbare und grundsätzlich erforderliche Reaktion bei Covid-19-Ausbrüchen in Gesundheitseinrichtungen vor.

Verwaltungsgericht Minden, Beschluss vom 21.04.2020 – 7 L 299/20
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Vorhaltepflicht von Privatklinikbetten in Bayern gekippt

Das VG Ansbach hat dem Antrag einer Nürnberger Privatklinik stattgegeben, die sich gegen die Pflicht zum Freihalten ihrer sechs Klinikbetten gewendet hatte.

Im Wege der Allgemeinverfügung wurde geregelt, dass Privatkliniken in Bayern bis auf weiteres alle planbaren Behandlungen zurückstellen, um möglichst umfangreiche Kapazitäten für die Versorgung von Covid-19-Patienten freizuhalten. Mit weiterer Verfügung wurde geregelt, dass die vorhandenen Kapazitäten in vollem Umfang zur stationären Versorgung zur Verfügung stehen sollen.

Die Betreiberin einer Privatklinik suchte hiergegen erfolgreich um einstweiligen Rechtsschutz nach. Sie habe seit dem 20.03.2020 keinerlei stationäre Behandlungen mehr durchführen können. Hierauf seien zuvor aber 76 % des Gesamtumsatzes entfallen, so dass eine wirtschaftliche Fortführung des Klinikbetriebes nicht mehr möglich sei. Eine Inanspruchnahme aufgrund drohender Überforderung des Gesundheitssystems sei nach aktuellem Stand nicht ersichtlich.

Nach Auffassung des Gerichts stehen die getroffenen Schutzmaßnahmen inhaltlich („soweit“) und zeitlich („solange“) unter einem strengen Verhältnismäßigkeitsvorbehalt. Mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit müsse die Abflachung der Neuinfektionsrate und die nur teilweise Auslastung der Klinikbetten, auch im betroffenen Raum, von 50 % berücksichtigt werden. Dem Eilantrag der Klinik sei mit Blick auf die schweren wirtschaftlichen Folgen für diese stattzugeben. Allerdings wies das VG ausdrücklich darauf hin, dass der Beschluss bei einem veränderten Pandemiegeschehen abänderbar sei.

Verwaltungsgericht Ansbach, Beschluss vom 25.04.2020 – AN 18 S 20.00739
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